Infraschall

Dr. Stefan Holzheu, BayCEER, Universität Bayreuth

Dr. Stefan Holzheu ist Umweltwissenschaftler am Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung. Seine Arbeitsgebiete sind Sensordatenerfassung, Datenbanken und Statistik. Bundesweit bekannt wurde er, weil er der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe einen gravierenden Rechenfehler bei Infraschall von Windenergieanlagen nachgewiesen hat.

Es ist verständlich, dass Menschen, die unter einem Brummtontinnitus leiden, in alle Richtungen nach möglichen Ursachen suchen. Eine immer wieder geäußerte Vermutung ist Infraschall. Deshalb soll hier untersucht werden, ob diese Vermutung nach dem Stand der Wissenschaft plausibel ist.

Was ist Infraschall?

Meist wird Luftschall unterhalb von 20 Hz als Infraschall bezeichnet – zum Teil auch erst ab 16 Hz. Die Grenze ist dabei zu einem gewissen Grad willkürlich. Schall ändert seine physikalischen Eigenschaften nicht grundlegend, wenn seine Frequenz von 20,1 Hz auf 19,9 Hz absinkt. Allgemein gilt, dass das menschliche Ohr mit abnehmender Schallfrequenz immer unempfindlicher wird. Bei 20 Hz liegt die Wahrnehmungsschwelle bereits bei ca. 70 dB(Z) und bei 2 Hz sind es 120 dB(Z) [1].

Dagegen können wir Töne mit einer Frequenz von 1000 Hz bereits bei einem Schalldruckpegel von 0 dB(Z) wahrnehmen. Bezogen auf die Schallintensität (Schallleistung pro Fläche) bedeuten 10 dB Unterschied eine Erhöhung der Schallleistung um den Faktor 10. Im Vergleich zu einem 1000 Hz-Ton benötigen wir also mindestens die 10.000.000fache Schallleistung, damit unser Ohr Infraschall wahrnehmen kann.

Was erzeugt Infraschall?

Infraschall ist nichts Besonderes. Infraschall ist immer und überall vorhanden. Wenn Sie irgendwo ein empfindliches Messgerät aufstellen, werden Sie Infraschall messen. Wo Luft ist, ist auch Infraschall.

Lange Zeit gab es eine sehr unsachliche Diskussion, dass Windenergieanlagen massiv Infraschall erzeugen und dadurch Menschen schädigen würden. Tatsächlich sind die Pegel in der Nähe von Windenergieanlagen nicht besonders hoch. Typisch sind 60 dB(Z) bei 2 Hz. Das ist, bezogen auf die Schallintensität, ein Faktor 1.000.000 unter der Wahrnehmungsschwelle. Deutlich intensiverem Infraschall sind wir z. B. ausgesetzt, wenn wir mit dem Auto fahren, wenn wir neben einem Trampolin mit Kindern stehen oder wenn jemand im Haus eine Tür oder ein Fenster öffnet (Abbildung 1). Der Gesamtpegel dieser Signale beträgt mehr als 100 dB(Z). Da der Hauptanteil der Energie meist in den tiefen Frequenzen liegt, können wir auch diese stärkeren Signale nicht mit dem Ohr wahrnehmen. Die in Abbildung 1 dargestellten Signale stammen alle aus menschlichen Quellen. Es gibt jedoch eine große natürliche Infraschallquelle: den Wind. Wenn starker Wind auf Hindernisse trifft, können auch Pegel über 100 dB(Z) auftreten (Abbildung 2).

Die bekanntesten Situationen mit Infraschall oberhalb der Wahrnehmungsschwelle sind Autofahrten mit geöffneten Heckfenstern oder Tunneldurchfahrten mit wenig druckdichten Zügen. In diesen Situationen nehmen wir am Ohr keinen Ton mit klar definierter Tonhöhe wahr, sondern ein Wummern. Das ist Infraschall oberhalb der Hörschwelle.

 

Abbildung 1: Verschiedene Infraschallmessungen mit dem Differenzdrucksensor SDP610-25Pa. Alle Messungen sind mit der gleichen Druck- und Zeitauflösung dargestellt. Zur Umrechnung in dB(Z): Ein Sinussignal mit einer Amplitude von 10 Pa entspricht 111 dB(Z). Alle gezeigten Signale sind für das Ohr nicht wahrnehmbar, da sie unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegen.
Abbildung 2: Links: Frequenzspektrum von Infraschallsignalen während einer stürmischen Nacht in den Alpen (30.08.2020 02:50-03:30) im Vergleich zu Infraschallsignalen in 300m Entfernung von einer 1,5 MW Windkraftanlage (30.05.2020 00:30-00:40). Rechts: Vergleich eines 5s-Ausschnitts des Primärdrucksignals des Differenzdrucksensors.

Infraschall nicht hören aber spüren?

Immer wieder hört man die Aussage, man könne Infraschall zwar nicht hören aber spüren. Wie ausgeführt ist das menschliche Ohr ziemlich unempfindlich gegenüber Infraschall. Dennoch ist das Ohr unser mit Abstand empfindlichster Sensor für Infraschall. Andere Sinne (z.B. Gleichgewichtssinn, Tastsinn) reagieren erst bei deutlich höheren Schallpegeln. Ein Fühlen ohne Hören kann ausgeschlossen werden.

Die bei lauter Musik im Brustkorb spürbaren Bässe sind übrigens kein Infraschall. Das ist Schall im Frequenzbereich von 40 bis 100 Hz, den wir mit dem Ohr schon lange sehr deutlich wahrnehmen.

Fazit:

Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse sprechen dagegen, dass Infraschall die Ursache für Brummtonwahrnehmungen ist. Auch außerhalb der Brummton-Thematik ist mir keine einzige wissenschaftliche Arbeit bekannt, in der Infraschall als Ursache von Belästigungen nachgewiesen wurde. Selbst bei besonders empfindlichen Personen konnte immer nur eine Wahrnehmungsschwelle nachgewiesen werden, die maximal 10 dB unterhalb der mittleren Wahrnehmungsschwelle [2] und damit noch oberhalb der Infraschallpegel alltäglicher Situationen mit hohen Pegeln (z.B. Autofahren) lag. Auch in aufwendigen akustischen Experimenten des finnischen VTT in einer Ganzkörperschall-Kammer konnten Personen nicht unterscheiden, ob eine Geräuschprobe Infraschall enthielt oder ob der Infraschall ausgeblendet war [3].

Ein befreundeter Akustiker hat ein weiteres sehr plausibles Argument gegen eine Belästigung durch Infraschall formuliert. Wenn es wirklich eine Belästigung gäbe, könnte man den Infraschall aufgrund seiner hohen Wellenlänge mit einem einfachen Noise-Cancelling-Gerät im ganzen Raum eliminieren. Die Tatsache, dass es solche Geräte nicht zu kaufen gibt, spricht eindeutig gegen eine Belästigung durch Infraschall.

Fußnoten:

1. Kuehler, R., Fedtke, T. & Hensel, J. Infrasonic and low-frequency insert earphone hearing threshold. J. Acoust. Soc. Am. 137, EL347–EL353 (2015).

2. Møller, H. & Pedersen, C. S. Hearing at low and infrasonic frequencies. Noise Health 6, 37–57 (2004).

3. Maijala, P. et al. Publications of the Government’s Analysis, Assessment and Research Activities 2020:34 Infrasound Does Not Explain Symptoms Related to Wind Turbines. 155 http://urn.fi/URN:ISBN:978-952-287-907-3 (2020).

Wir bedanken uns herzlich bei Herrn Dr. Stefan Holzheu, der so freundlich war, uns einen Gastbeitrag zum Thema Infraschall für unsere Homepage zu verfassen.

Für weiterführende Informationen zum Thema Infraschall empfehlen wir die Seiten der Universität of Bayreuth, BayCEER.

 

Weitere Informationen sowie Unterstützung erhalten Sie in unserer Facebook-Gruppe

Werden Sie Mitglied unserer Gruppe:

Das Brummton Phänomen, dem Brummton auf der Spur!

Gruppenziele: Austausch von Informationen, Tipps und Messtechnik und Erfahrungsberichte, Umgang mit dem Brummton, Selbsthilfe.